#writingfriday, Aufgabe 3 aus Januar – ein Brief an dich als 15-jährige

Als dritte Aufgabe habe ich mir aus den fünf zur Verfügung stehenden die aussgesucht, die mir tatsächlich am Schwersten fallen wird. Ja, ok, die, den letzten Traum so detailliert wie möglich aufzuschreiben, ist sicher auch schwer. O.o

Aber gut, nun also einen Brief, den ich an mein 15jähriges Ich richte.

Liebe 15-jährige Nebu,

ich möchte ein Experiment wagen. Ein Brief an Dich, über Zeit und Raum, der Dir eventuell helfen kann, Deinen Weg zu gehen. Vielleicht hörst Du nicht auf mich, nimmst mich nicht ernst, was ich beides verstehen könnte. Ich hätte mir damals auch nicht geglaubt. (Oh jeh – Zeitverschiebungskontinuumsproblem! Ich BIN ja Du! Egal.)

Ich möchte Dir – aus dem Jahr 2018 ins Jahr 1995 – keine schlauen Ratschläge geben, die sich genau so altklug anhören, wie Du sie immer gehasst hast. Ich möchte Dir nur schreiben: Es wird besser! Deine Haltung zur Schule ist richtig. Ja, es lohnt sich, die interessanten Fächer ernst zu nehmen, einfach aus dem Grund, weil Du daran Spaß haben kannst. Und es lohnt sich genau so, die anderen, die nicht interessant sind oder scheinen, mit „4 gewinnt“ zu ertragen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich niemand wirklich die Abschlusszeugnisse angesehen hat. Und schon gar nicht die aus den anderen Stufen. Ja, Du wirst Abitur machen. OLYMPUS DIGITAL CAMERAUnd ja, eine Ausbildung, von der Du Dir bis 1999 nicht denken kannst, was es sein wird. Daran wird sich ein Studium anschließen – und auch wenn es jetzt hart klingt: Du wirst an (auch jetzt noch) nicht heilbarer multiplen Sklerose erkranken. Aber auch das wird alles gut. Dadurch findest Du den Stand, der Dich zufriedenstellen wird. Und Du kannst immer noch sagen, dass Du das Elektrotechnik-Studium erfolgreich abgeschlossen hättest, wäre da nicht die Erkrankung und die folgenden Krankheits- und Urlaubssemester gewesen, damit Du Dich wieder zurechtfindest! Auf Umwegen und nicht ohne Sackgassen wirst Du zu einem interessanten und vor allem durch Lebenszeitverbeamtung abgesicherten Job kommen, den Du gern machen wirst und wo Du tolle Kollegen kennenlernen wirst, die Dich eine lange Zeit begleiten. (Mich begleiten sie immer noch, ich weiß also nicht, wie lang diese Zeit tatsächlich sein wird). Und Du wirst – ebenfalls nach Umwegen und Sackgassen – in einer langfristigen Beziehung glücklich sein und jederzeit auf Hilfe durch Deinen Partner zählen können. Ob das leidige Thema Übergewicht, die noch anstehende Erkrankung, schlechte Laune, finanzielle Tiefs oder auch einfach Alltag – das alles wirst Du mit ihm hervorragend meistern. Dein Freundeskreis wird 06 Consich nicht nur in Quanti- sondern auch in Qualität erweitern und Du wirst Dich vor all den Hobbies, die Du im Laufe der nächsten Jahre kennen lernen wirst, nicht mehr entscheiden können, womit Du Deine derzeit unheimlich groß erscheinende Leere füllst.

Ahnst Du, dass Du ab dem kommenden Jahr ein eigenes Pferd haben wirst? Ahnst Du, dass Du über fünfzehn Jahre damit verbringen wirst, an ganz vielen langen Wochenenden, egal, ob es regnet oder Gluthitze herrscht, entweder zu Gothic- oder Heavy-Metal-Festivals zu fahren oder mit vielen Freunden beim Liverollenspiel als Orks, Untote oder Elfen geschminkt durch den Wald zu rennen und nächtliche Geocaches zu absolvieren? Dass Du 2013 den ersten und (bislang) einzigen Kutten-Contest auf dem Wacken-Open-Air gewinnen wirst? 

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Ich kann Dir versprechen, dass Du später regelmäßig zu Geburtstags- und Silvesterfeiern eingeladen wirst und dass Leute Dich anrufen werden, um sich mit Dir zu verabreden. Dass Du dann auch mal irgendwann zu den Beliebten gehören wirst.
Und ahnst Du, dass Du Dich dann, im Gegensatz zu 1995, auch mal auf freie Zeit, die Dir zum Schreiben, malen, basteln, modellieren und vor allem Lesen bleibt, freust und Dich dann nicht mehr einsam fühlst?

Damit Du es Dir besser vorstellen kannst, habe ich Dir ein paar Fotos beigefügt.
Ich wünsche mir so sehr, dass Du die Kraft findest, freudig in die Zukunft zu schauen! Sie ist es wert.

Deine 38-jährige Nebu

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THEMENWOCHE „RUND UMS SCHREIBEN“, PUNKT 5: ‚KURIOSE RECHERCHE‘

Zu dem 5. Punkt der letzten Woche der #LoveWritingChallenge kann ich leider nur etwas zu den Recherchen für meine Diplomarbeit und nicht für ein Romanprojekt berichten. Tatsächlich habe ich weder für ‚Herzschlag‘ noch für ‚Bad Hair Day‘ oder ‚Waldgeflüster‘ und auch nicht für ‚Und es begann zu regnen‘ recherchiert. Außer in meiner Phantasie, in meinen Gedanken, in meinen Träumen.
Das wiederum wäre für die Diplomarbeit aber sicherlich nicht sinnvoll gewesen *lacht*

Mein Thema war „Die wirtschaftliche Bedeutung der Kernkraftwerke in Schleswig-Holstein“, nachdem ich mit Schwerpunkt Volkswirtschaft Verwaltungswissenschaft studiert und zwei Monate Praktikum bei der Reaktoraufsicht absolviert habe. Ich habe mich im Vorfeld und währenddessen intensiv auch mit den diversen Informationen über die wirtschaftliche Bedeutung hinaus auseinander gesetzt und dabei bin ich im Internet auf das EBM-Projekt „Radium226“ mit dem Track „Nuclear Violation“ gestoßen. Ich bin neben Heavy Metal- auch Fan von EBM und sonstiger schwarzvolkiger Musik und ich vermute, dass das Suchmaschinenergebnis deshalb aufploppte. Ich habe während den weiteren Recherchen und dem Schreiben der Diplomarbeit quasi rund um die Uhr diesen Song gehört und mir läuft auch heutzutage (sieben Jahre später) und gerade jetzt noch ein Schauer über den Rücken, wenn ich den Song wieder höre. Es ist eine Kombination aus Angst und Entsetzen über die damalige Katastrophe in Prypjat, dem entsprechenden Wissen und der morbiden Faszination einer ehemaligen Elektrotechnikstudentin um die Funktionsweise und die immense Kraft dieser Energiegewinnung und den Stand damaliger Kernkraftwerke in Deutschland und weiteren in Europa sowie der Liebe zu aggressiv-tanzbaren Rhythmen, die sich bei mir für immer eingeprägt zu haben scheint.

THEMENWOCHE „INSPIRATION“, 5. Punkt: ‚Zitate‘

Zu Zitaten anderer Leute kann ich deutlich mehr schreiben als über welche, die von meinen eigenen Protagonisten stammen 😉

Mein Lieblingszitat und auch eines, was mich immer wieder anleitet, mein eigenes und nicht nur das Leben der Romanfiguren zu gestalten, ist folgendes:

Der Dalai Lama wurde einst gefragt, was ihn auf der Welt am meistens überrascht.
Er antwortete:

Der Mensch, denn er opfert seine Gesundheit, um viel Geld zu verdienen.
Dann opfert er sein Geld, um seine Gesundheit wiederzuerlangen.
Und dann ist er so ängstlich wegen der Zukunft, dass er die Gegenwart nicht genießt.
Das Resultat ist, dass er nicht in der Gegenwart lebt;
er lebt als würde er nie sterben,
und dann stirbt er und hat nie wirklich gelebt.

Ich stelle mir (meist bereits am Anfang, oft aber auch zwischendurch, wenn meine Story an einer Kreuzung feststeckt) die Frage, „was wäre, wenn… mein Charakter NICHT so leben oder NUR so leben würde? Was wäre, wenn… ein Bekannter meines Charakters NUR so leben würde? Was hätte das wiederum auf meinen Charakter für Auswirkungen?

Ein zweites Zitat (oder vielleicht auch nur ein Spruch, kommt von VisualStatements, sonstige Quelle ist mir unbekannt), der mich zwar weniger in meinem Leben aber durchaus oft im Schreiben begleitet, lautet

Ab dem Moment,
wo Du „Ach, Scheiß drauf!“ denkst,
wird es entweder grandios oder völlig desaströs.

Dies lässt sich super kombinieren mit „Was wäre, wenn…“ und gleichzeitig mit den 3 Katastrophen als Dreh- und Angelpunkte in einer Story.

45 – Epilog

Nun wird es Zeit, zum Ende dieses Buches den Bogen wieder auf die Überlegungen vom Anfang zurück zu führen.
An welcher Stelle des Lebens im allgemeinen um mich herum stehe ich? Wo WURDE ich zwischen den anderen Menschen positioniert? Wo HABE ich mich selbst positioniert?
Geht es mir jetzt und im allgemeinen so viel schlechter als anderen? Ich weiß, dass es mir auf jeden Fall so viel BESSER geht als anderen!
Was ist mit Kulturkreisen, die sich kein angenehmes Leben so wie hier in der sogenannten “ersten Welt” leisten können? Die vielleicht gar keine Krankenhäuser haben, um eine MS oder sonstige Krankheit zu behandeln? Was ist mit Entwicklungsländern? Oder Ländern, in denen selbst bei Innehaben einer Vorreiterrolle auf dem Weltmarkt das Leben an sich mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft, die zum Beispiel in Japan nur zu einem minimalen Teil neben der Versorgung der Familie überhaupt arbeiten geht und gehen kann, und einer flächendeckenden Krankenversicherungslosigkeit wie in Amerika, wo diese zum einen unbezahlbar ist und zum anderen die Mentalität der Menschen dahingehend lautet, dass niemand sonst, außer vielleicht noch der eigenen Familie, für einen selbst im Ernstfall wie in einer Solidargemeinschaft hier in Deutschland aufkommen müssen soll?

Diese Gedanken treiben mich oft um, und natürlich gerade, wenn es mir nicht so schlecht geht. Ich mag mich zwar nicht als jemanden sehen, der ein ach so einfaches Leben hat, dem alles leicht fällt und auf den alle Rücksicht nehmen, aber ich mag auch nicht um Aufmerksamkeit oder diese Rücksicht betteln.
Ich glaube, ich bin an einem Punkt, an dem ich im Allgemeinen, sollte ich aus Gründen der MS oder auch sonst Hilfe benötigen, diese erbitte. Immerhin. Gab auch schon andere Zeiten. Und ich weiß, dass ich, wenn ich Schmerzen durch die MS habe, auch darauf hinweise und darum bitte, mich dann lieber nicht zu berühren. Aber nur wenn es sich lohnt. Ich sage ja nicht jedem bescheid, der mich nur mal zur Begrüßung umarmen möchte. Aber ich sage Leuten bescheid, die ich oft und gern um mich habe, damit sie mich verstehen und wissen, warum ich auf Abstand gehe. Ich bin mir sicher, dass diese Leute alles dafür tun würden, um mir nicht noch mehr weh zu tun.

Das bringt mich zu der Überlegung, welche Sorgen und Nöte andere Leute haben. Habe ich mehr? Habe ich gar weniger?
Ist es in irgendeiner Form überhaupt nachvollziehbar, sich diese Fragen zu stellen? Ich meine, es ändert ja nichts an meiner Situation, ob ich nun weiß, dass Frau Müllers Hund ausbebüchst ist oder sich ihr Sohn nicht mehr bei ihr meldet. Oder ob Harald am Wochenende zu viel gefeiert oder sich tatsächlich eine Lebensmittelvergiftung zugezogen hat. Klar ärgere ich mich darüber, wenn ich feststelle, dass Kollegen wiederholt wegen Erkältung und Husten nicht zur Arbeit kommen – insbesondere, wenn es freitags oder montags ist. Aber wenn sie wirklich im ansteckenden Stadium einer Erkältung sind, und ich mich mit meinem zumindest formal aufgrund der regulären Medikamente gegen die MS sowieso gedrosselten Immunsystem dann bei ihnen anstecken würde, weil sie eben doch zur Arbeit gekommen sind, würde ich mich darüber natürlich auch ärgern. Da ich es aber nicht weiß und nicht einschätzen kann und vor allem auch nicht in der Position bin, es zu müssen, kann ich es auch sein lassen, mir darüber Gedanken zu machen.
Für mich ist es wichtig, dass ich mir jederzeit bewusst darüber bin, wie viel ich gerade auf welche Art und Weise zu leisten vermag, sei es dienstlich oder auch im allgemeinen. Ich muss auf jeden Fall rechtzeitig Grenzen aufstellen, um meine Gesundheit zu schützen, auch wenn ich sicherlich teilweise noch herausfinden muss, wo diese überhaupt liegen müssten. Aber ich muss in den Bereichen und Zeiten, in denen ich voll leistungsfähig bin, ebendiese volle Leistung auch erbringen und mich nicht darauf ausruhen, dass ich ja ein ach so schweres Schicksal habe. Und ich WILL mich auch nicht ausruhen, sondern der Welt da draußen zeigen, dass ich es kann!
“Wird es danach besser sein? Nach dem Fabrizieren dieses Textes? Werde ich das Gefühl haben, viel erklärt und beschrieben und auch etwas erreicht zu haben oder dass ich mich auch in Zukunft mit Wortfindungsschwierigkeiten und Kreativitätsmangel herumplagen muss bei den Versuchen, mich und mein Innerstes mitzuteilen?”
Ja, ich fühle mich besser. Der Text hat mir zunächst vorrangig geholfen, selbst einen Überblick über meinen höchstpersönlich eigenen Krankengeschichtenverlauf zu erhalten – und mir die einzelnen Dimensionen und Gewichtungen aufzuzeigen, damit ich sie strukturieren kann. Es kommt mir nicht mehr so nebulös vor wie anfangs, seit ich es aufgeschrieben habe.
“Es”, das ist in diesem Fall vorrangig das tatsächlich Geschehene. Und nachrangig, wenn auch nicht weniger wichtig, habe ich wie erhofft durch das Ausformulieren der Gefühle, die diese Krankheit körperlich und psychisch in mir auslöst, ein wenig mehr Sicherheit gewonnen. Sicherheit mir selbst gegenüber, dass ich mir das nicht alles nur einbilde – und dass ich einen Ort geschaffen habe, an dem ich selbst mir auf diese Art und Weise Notizen über den Ablauf und das Erfahrene gemacht habe. Ich möchte gern jederzeit zurückschauen können und mich daran erinnern, wie diese Krankheit bereits auf mich gewirkt hat – und dass ich bis jetzt sehr viel Glück gehabt zu haben scheine, noch nicht mit langfristigen ernsthaften Einschränkungen, die nicht nur Spielkram sind, geschlagen worden zu sein.
“Ich war 25, als die MS in mein Leben einschlug.”
Jetzt bin ich 35 und sie hat mich fest im Griff.
HAT mich? Oder HATTE mich?
Wenn ich jetzt zurückschaue auf die vergangenen eineinhalb Monate, kann ich mich nicht beklagen. Ich stehe jetzt zwar schlechter da als zu dem Zeitpunkt, als ich den Schub bekam, aber ich stehe deutlich besser da als zu dem Zeitpunkt, als ich diese Worte der Angst und Verzweiflung, die ich zu Beginn dieses Textes niedergeschrieben und behandelt habe, formulierte.
Ich weiß, dass ich mit meinem Freund nach der ersten Entlassung aus dem Krankenhaus Geocachen gegangen bin – und ich weiß, dass ich zu dem Zeitpunkt ein scheuerndes, reißendes Gefühl in den Beinen und an den Füßen erdulden musste. Und das Gefühl, als hätte ich einen Fahrradsattel zwischen meinen Beinen, der aber natürlich nicht da war. Meine Beine fühlten sich an, als sei ich in Strandsand eingebuddelt, der mich zwar nicht an den Bewegungen hinderte, aber dennoch überall war und überall scheuerte. Ich konnte nicht einordnen, wo meine Füße zum jeweiligen Zeitpunkt jeweils waren. Ich musste bei jedem Schritt und insbesondere natürlich beim Waldspaziergang bewusst auf jeden Fuß sehen, jedes Mal, wenn ich einen hob und zum Schritt ansetzte. Meinem Gehirn wurden die Koordinaten der Extremitäten und der Gelenke nicht mehr oder nicht mehr ordnungsgemäß mitgeteilt. Krankengymnastik mal anders!

Selbstverständlich leidet die Lebensqualität, wenn man durch zum Beispiel eine Krankheit wie die multiple Sklerose in eine Situation kommt, die schlechter ist als im vorigen Zeitraum. Und selbstverständlich hadert man mit sich, seinem Körper, der Umwelt. Aber man wächst auch an einer solchen Situation, egal, wie lange sie bestehen bleibt oder sich auch wieder verändert.
Das ist es, was mich lebensfähig hält. Was mich mich eben nicht eine Brücke herunter springen oder zu viele Schlafmittel auf einmal nehmen lässt.
Die Sandschicht und der poröse Beton um meine Beine herum sind mittlerweile, eineinhalb Monate später, gewichen, die gefühlte Hornhaut unter den Fußsohlen von 10 cm auf 3 mm geschrumpft und das Taubheitsgefühl ist lediglich etwas weiter nach oben um den Brustkorb gewandert, wo sie mich aber letztlich nicht stört. Es fühlt sich zwar an wie ein leichtes Korsett, aber mehr auch nicht. Die Kleidung, die ich trage, tut nicht weh und bei Berührungen gibt es manchmal welche, die unangenehm sind, aber von Schmerzen mag ich hier nicht reden.
Letztlich ist es doch genau das, was der Körper tun soll – wenn er schon durch welche Einflüsse auch immer erkrankt oder zumindest eingeschränkt wird, alles daran zu setzen, um sich selbst wieder funktionstüchtig zu machen! DAS ist doch das wahre Wunderwerk, nicht nur das Gesund sein und bleiben!
Kernspintomographie oder Warum Alu nicht magnetisch ist – jetzt ist es doch noch etwas geworden, wenn auch auf eine ganz andere Art und Weise als die, die ich mir 2005 ausgemalt habe!

44 – Alltag? – noch mehr Entrümpeln

Gestern im Laufe des Tages, in einigen kleinen Situationen, wurde mir alles ein wenig zu viel.
Das aufräumen und wegschmeißen, aussortieren und Platz schaffen ging mir weiterhin sehr leicht von der Hand. Zu gern hätte ich im Nachhinein natürlich Fotos vom Vorher-Nachher-Zustand der Wohnung gemacht. Daran habe ich natürlich aber nicht gedacht, als ich am Freitag auf die Idee kam. Kann ja keiner ahnen, dass das solche Formen annehmen würde! Vom Arbeitszimmer war eigentlich nur noch mein Bastelschreibtisch samt Regalen sowie der LARP-Kram undurchforstet und die komplette Abstellkammer und Küche sowie das Wohnzimmer waren quasi vom Gerümpel und natürlich vom Müll entkernt. Ich weiß nicht, wie viel an Volumen letztendlich zum Wegschmeißen zusammengekommen ist, aber dass ich im Arbeitszimmer drei Regalfächer und im Wohnzimmer noch eineinhalb frei habe, wo vorher alles gestopft und gedrängt stand, spricht Bände!
Aber ich fühlte mich von meinem Freund eingeengt, ohne dass er überhaupt irgendetwas getan oder nicht getan hätte. Er half mir sowohl körperlich beim Schleppen von Zeug als auch durch seine Gegenwart, indem ich ihm das, was ich gerade in der Minute zu räumen gedachte, mit ihm durchsprechen oder auch einfach nur erzählen konnte und er diesbezüglich seine Meinung äußerte. Ich glaube nicht, dass ich so viel in der Hinsicht getan hätte, wenn ich nicht einen stolzen Begleiter dabei gehabt hätte.
Aber seine Gegenwart engte mich in der Form ein, dass mir durch das Cortison neben meinem sowieso schon gesteigerten Hitzeempfinden zusätzlich noch sehr warm war und er hingegen als Frostbeule, die er nun mal ist, überall in der Wohnung am liebsten auf der voll aufgedrehten Heizung gesessen hätte.
Normalerweise ist er quängelig, wenn er Hunger hat, aber in den letzten Tagen war er bezüglich des Frierens fast unausstehlich. Nicht, dass er mir Vorwürfe gemacht hätte, da er die Situation ja durchaus wahrgenommen hatte, da ich ja im T-Shirt durch die Wohnung räumte, während er mit Pullover und dicker Fleece-Decke eingemummelt hinterher schlurfte oder sich aufs Sofa kauerte.
Auch das übliche Vorgehen, lange heiß zu duschen und vor allem genug zu essen, was ihn sonst wieder auf Temperatur bringt, verpuffte ohne Ergebnis.
In der Konsequenz fühlte ich mich schlecht, weil ich es ihm nicht ermöglichte, die Wohnung noch mehr zu heizen, und auch wenn ich durch zur Verfügung stellen eines elektrischen Heizkissens und häufiger Wärmung seiner kalten Hände alles mögliche unternahm, um ihn irgendwie zu unterstützen, half das alles nichts.
Ich hingegen merkte natürlich, dass mein Gesicht glühte und ich merkte auch, dass mein Kreislauf die Hitze gar nicht gut fand.
Wir trafen uns letztendlich irgendwo in der Mitte, aber ich merkte jedes Mal, wenn ich ein Zimmer verließ und dafür logischerweise die Tür öffnete, wie mich der kühle Luftzug aus dem Flug erreichte und genoss es, während hinter mir natürlich die Bitte erklang, die Tür doch gleich wieder zu schließen.
Auf eine gewisse Art und Weise, die ich nicht beschreiben kann, störte es mich immens, auch wenn er einfach genau so wenig dafür konnte, dass ihm kalt war, wie mir, dass mir warm war. Einen solchen Disput fechte ich ja in abgeschwächter Form mit den Kollegen in der Arbeit auch ab und an aus. Im Sommer, wenn alle im Kleidchen rumlaufen und sich über das großartige Wetter freuen, sterbe ich tausend Tode, denn mehr als ausziehen kann ich mich nicht – und so wenig, dass mir nicht mehr zu warm wäre, MÖCHTE ich nicht ausziehen. Ich weiß auch nicht, ob mir nicht auch nackt noch zu warm wäre. Schlimmer wird es jedoch in den Übergangszeiten vom Frühling oder zum Herbst – und spätestens im Winter. Im regulären Fall trage ich ab etwa 5 bis 7 Grad plus keine Jacke mehr und ab 12 Grad keinen Pullover mehr. Mit Abweichungen, aber zumindest wenn ich nicht vorhabe, lange spazieren zu gehen sondern lediglich aus der Haustür raus ins Auto falle, aus dem Auto dann raus zum Arbeitsplatz und dann auf dem Rückweg höchstens noch irgendwo einkaufen muss. Meine Heizkosten zuhause belaufen sich auf ein Minimum und ich fühle mich bei einer Zimmertemperatur von unter 18 Grad am wohlsten. Wenn mir also jetzt noch jemand Cortison gibt, bedeutet das, dass sich diese Skala noch einmal verschiebt. Unabhängig davon freue ich mich auch schon wieder auf das Tragen der Stützstrümpfe im Sommer. NICHT.
Aber ich kann nicht aus meiner Haut und würde alles dafür geben, den umgekehrten Fall zu erleben (naja gut, nicht alles, aber ich würde den anderen Fall deutlich besser finden). Ich bin der Meinung, wärmer anziehen kann man sich immer. Oder mehr bewegen. Oder beides. Aber gegen Wärme kann man selbst realistisch nichts machen. Und nein, ich möchte mich nicht vor oder in einen geöffneten Kühlschrank setzen.

Zu dieser Situation kam, dass ich mich jetzt nach Rückkehr aus dem Krankenhaus einfach durch seine Gegenwart auch nicht sonderlich sinnvoll habe zum Schreiben zurückziehen können. Das baute einen Druck auf, für den NaNoWriMo doch genug Text auf die digitale Seite zu bringen, der natürlich mit jedem Tag, an dem ich nicht oder zu wenig schrieb, anwuchs. Auch wenn ich mich einmal zwischendurch wieder habe fast auf Stand hocharbeiten können, reichte das leider nicht, um zufrieden zu sein. Ich kann nicht schreiben, wenn wir in einem Raum sind – oder zumindest nicht wenn er hinter mir sitzt und mir theoretisch auf den Text sehen könnte, wie das im Arbeitszimmer der Fall wäre. Ich kenne aus eigener Erfahrung, dass man als unbeteiligter Dritter so gut wie nie Text auf einem Computermonitor erkennen oder gar inhaltlich wahrnehmen kann, aber ich fühle mich trotzdem immer besonders unwohl und beobachtet. Ich kann nicht frei schreiben und manchmal aufgrund von Ablenkung auch nicht ungestört denken, wenn jemand anderes im Raum ist. Wenn ich in den Praktika für das Diplomstudium mit anderen Mitarbeitern wie üblich zusammen in einem Raum gesessen habe, war das schon fürchterlich, selbst wenn sie mir gegenüber und nicht hinter mir saßen. Und jetzt bei einem solch persönlichen Text und Thema, das ihn ja auch betrifft, ist das natürlich noch ungleich schwerer, auch wenn er an und für sich schon weiß, worüber ich schreibe. Und dann mache ich ihn in Gedanken dafür verantwortlich, dass ich nichts geschrieben habe. Vermutlich hätte ich ihn auch einfach bitten können, mich mal für zwei oder drei Stunden im Arbeitszimmer allein zu lassen. Aber das hätte wieder bedeutet, ich hätte im Vorfeld schon gewusst, dass diese Situation auf mich warten würde. Keine Ahnung. Alles schwierig.
Gestern abend nach einiger weiterer Rumräumeritis hatte ich, als ich gesehen habe, dass er noch an seinem Laptop schrieb und die Vorbereitungen für die Durchführung einer Geburtstagsparty zum 30. Geburtstag eines guten Freundes anging, mich gegen elf bettfertig gemacht, um noch ein Dreiviertelstündchen zu lesen und die Kühle des Bettes für mich allein und die Berührungslosigkeit einer sich bewegenden Bettdecke auf meiner Haut zu genießen, aber ihn natürlich nicht ausdrücklich gebeten, mich noch einige Zeit allein zu lassen. Da mein Freund aber ein sehr großes Kuschelbedürfnis hat und außerdem sowieso grundsätzlich sehr gern bei mir ist, war es nur eine Frage der Zeit, bis er sich zu mir legte. Als ich ihm meine Gedanken behutsam schilderte, meinte er, er hätte aber den Rechner auch schon runter gefahren und erhoffe sich jetzt vom Bett eine wärmendere Stelle als im Arbeitszimmer. Aber er verhielt sich tatsächlich fast bewegungslos, so dass ich noch ein wenig Ruhe hatte. Dazu muss man wissen, dass er bewusst und unbewusst jede Situation sucht und ausnutzt, die sich ihm bietet, um mich in irgendeiner Form zu kuscheln und mir zu zeigen, wie lieb er mich hat. Das ist eine großartige liebenswerte Eigenschaft und ich liebe ihn unter anderem auch dafür, bin aber selbst nicht der große Kuscheltyp und mag nachts lieber separat auf meiner Seite des Bettes schlafen, unter anderem wegen der Hitze und der Berührungen an der Hautoberfläche, die ja deutlich unangenehmer für mich sind, je schwächer und oberflächlicher sie mich erreichen. Diese Gesamtsituation schließlich war es, die mich bereits gestern hat denken lassen, dass ich eigentlich das erste Mal während der letzten dreieinhalb Jahre nicht traurig darüber bin, wenn er heute nach Hause fährt.
Und dieser Gedanke setzte sich heute fort.
Nach einer an sich einigermaßen erholsamen Nacht blieben wir heute früh nach dem extra dafür gestellten Weckerklingeln um acht Uhr noch eine Stunde halb dösend im Bett liegen, während unsere Füße miteinander kuschelten. Diese Stunde habe ich unheimlich genossen, da ich wach genug war, um nicht weiter schlafen zu wollen, aber eine so bequeme Haltung gefunden hatte, dass ich ohne weiteres noch seine Nähe genießen konnte, die mir sonst morgens oft auch zu viel wird, weil ich mich nicht wohl fühle oder falsch liege, was ich dann aber nicht ändern kann, weil ich keine bequemere Haltung als Aufstehen fände.
Als ich das Gefühl dann schließlich nicht mehr verdrängen konnte, auf Klo zu müssen, stand ich auf, während er noch in seinem Smartphone das Internet leer las. Nachdem ich mich gewaschen und angezogen hatte, fing ich an, in aller Seelenruhe in Etappen das Bad aus- und aufzuräumen. Auch das war an sich von einem großen Erfolg gekrönt, wurde aber unterbrochen dadurch, dass mein Freund sich logischerweise ja auch irgendwann mal fertig machen wollte.
Diese Unterbrechung nahm ich, auch wenn es weitab von Absicht oder auch nur Rücksichtslosigkeit war, als unglaublich störend war und konnte nicht verhindern, dass ich ihn ein klitzekleines bisschen persönlich dafür verantwortlich machte.
Derzeit werden im Fernsehen täglich die Folgen einer Zeichentrickserie ausgestrahlt, die mein Freund entdeckt und mir empfohlen hat und die ich seither wie schon bereits gesagt auch mit meinem Festplattenrekorder zwecks Archivierung auf DVD aufzeichne. Jetzt in diesen Tagen gab und gibt es zwei Specials dazu, die wir gern noch zusammen sehen wollten, bevor er sich wieder auf den Rückweg nach Hause machte, aber auch das gemeinsame Fernsehen habe ich in den letzten zwei Tagen wieder als Last empfunden. Auch hierzu muss man wissen, dass ich an sich niemand bin, der gern fern sieht oder gar ins Kino geht. Es gibt Sachen, die ich mir gern anschaue, und es gibt auch einige Dinge, die ich gern während wir uns unser Abendessen schmecken lassen, nebenbei plätschernd schauen kann, aber jetzt jeden Tag drei oder vier Folgen dieser Serie zu sehen war mir auch zu viel. Ich hatte zudem auch nicht den Eindruck, neben dem Aufräumen und erledigen von Dingen irgendeine Pause zu brauchen, während mein Freund natürlich neben mir saß, bibberte und kuscheln wollte. Es war nicht so, dass ich es mit dem Aufräumen weiter eilig gehabt hätte, denn nach wie vor folgte ich keinem Plan und räumte mal hier und mal dort, war aber einfach viel motivierter als zum stillsitzen.
Während ich also etwas machte, was mir halt einfach nur weniger Spaß brachte als etwas anderes, sorgte er sich rührend darum, dass sonst mit Ausnahme der Temperatur alles zu meiner Zufriedenheit war. Er machte Essen und Cocktails, schleppte Zeug, kümmerte sich darum, eines meiner verbastelten My little Ponys zu fotografieren, sorgte sich um die Autoreparatur und um die Neuanschaffung einer Waschmaschine, weil meine seit einigen Wochen Wasser durch die Waschmittelschublade rausdrückt, während sie läuft, richtete die Verbindung meines Smartphones als Router für meinen Laptop endgültig fest für die Verwendung ohne dass ein WLAN notwendig wäre ein, falls weitere Krankenhausaufenthalte auf mich warten sollten, und war absolut aufmerksam und hilfsbereit wie eigentlich immer.
Ich fühlte mich in der Folge so unglaublich ungeduldig, rücksichtslos und ausnutzend, dass ich mich deshalb gleich noch mal so viel ärgerte und all meine Kraft dran hängen musste, es nicht an ihm auszulassen.
Trotzdem sprach ich ihn mittags, etwa eineinhalb Stunden, bevor er fahren wollte bzw. musste, darauf an und entschuldigte mich für die letzten zweieinhalb Tage. Auf der einen Seite merkte ich, dass ihm teilweise, zumindest was das Kuscheln betraf, die gleichen Gedanken gekommen waren, auf der anderen Seite spürte ich aber auch, dass er es noch nicht so gesehen hatte wie ich, dass hier an einer Stelle was geknirscht hatte.
Ich bin meilenweit weg davon, eine Gefahr für unsere Beziehung zu sehen. Und vermutlich ist es auch völlig normal, dass man, gerade wenn man eigentlich eine Fernbeziehung führt und nun nach dreieinhalb Jahren das erste Mal einige Wochen fast am Stück aufeinander hockt und noch dazu die Situation bei mir ja eine ganz bescheuerte ist, sich irgendwann auf den Geist geht, aber ich will einfach nicht, dass dieser wunderbare großartige Mensch mir überhaupt je irgendwann auf den Geist geht! Er ist das beste in meinem Leben, der Lohn für all den Mist, den ich immer wieder mal ertragen muss. Und ironischerweise ist er doch auch derjenige, der mir gerade in meiner jetzigen Situation so unglaublich viel hilft!

43 – Alltag? – mehr Entrümpeln

Nachdem ich gestern einen kleinen Vorgeschmack auf das bekommen hatte, was mir so gut tat, nämlich ein wenig wegzuwerfen, auszusortieren und quasi Abschied zu nehmen, grübelte ich den ganzen verbleibenden Abend darüber nach. Zunächst war ich noch einigermaßen müde gewesen, jedoch änderte sich das gegen 22 Uhr, ab da ging es stetig bergauf. Mein Freund surfte noch etwas im Internet und ich las das Entrümpelungsbuch, während ich es mir schon im Bett bequem gemacht hatte. Aufgrund des Cortisons war mir den ganzen Tag fürchterlich warm, was sich leider auch abends noch nicht änderte.
Als er schließlich ins Bett nach kam, so gegen 23 Uhr, war ich aufgrund der Wärme schon halb aus dem Bett unter der Decke hervorgefallen. Wir tauschten die Plätze, so dass er die von mir angewärmte Seite genießen konnte, während ich die kühlere Betthälfte erhielt. Ein wenig las ich noch weiter, aber nach kurzer Zeit schalteten wir das Licht aus.
Mein Freund konnte so gut wie sofort einschlafen – und ich lag wach. Ab und an gestört durch anstehende Toilettengänge aufgrund des literweisen Teekonsums den Tag über, drehten sich meine Gedanken wieder mal die ganze Zeit im Kreis. Ich war damit beschäftigt, mir zu überlegen, was alles anstand und was ich wann wie zu organisieren haben würde. Eigentlich leide ich zumindest nicht dass ich wüsste unter dem „restless leg syndrome“, dem Symptom der unruhigen Beine. Manchmal kommt es unter einer MS dazu, dass die Patienten unaufhörlich, insbesondere nachts im Bett in den eigentlichen Ruhephasen, ihre Beine bewegen müssen oder wollen. Dabei wäre es häufig verbunden mit Empfindungsstörungen oder Schmerzen und die Symptome träten hauptsächlich in Ruhe auf. Bewegung lindere die Symptome vorübergehend.
Eventuell spüren die Betroffenen auch ein unangenehmes, kribbeliges und manchmal auch schmerzhaftes, ziehendes Unruhegefühl in den Beinen, seltener auch in den Armen oder in anderen Körperregionen. Manche Patienten beschreiben auch ein Prickeln, ein Reißen oder ein Stechen, oder das Bedürfnis, die Muskeln anzuspannen oder zu dehnen. Das Unruhegefühl mache es unmöglich, ruhig zu sitzen oder zu liegen.
Bei mir ist es so, dass ich zwar keine besonderen Reize empfinde, die nicht sonst auch da wären, siehe Lipödem und die dazugehörigen Druckschmerzen durch die gefühlte Schwellung, oder die Berührungsempfindlichkeit durch die MS, aber ich merke bei mir zumindest, dass das Umlagern der Beine und Füße ab und an auch durchaus Erleichterung bringen kann. Oft bin ich dadurch abends so unruhig und „wühlig“, dass ich mich selbst wieder aufwecke.
Gestern jedoch hatte ich in keinster Weise das Bedürfnis, mich irgendwie zu bewegen, sondern war schlicht und einfach nur hellwach. Gegen halb eins stand ich aus dem Bett auf, ging mal wieder zur Toilette, überprüfte meinen Restharn in der Blase durch Katheterisieren und überlegte, ob ich mich wieder schlafen legen oder noch irgendetwas sinnvolles tun sollte.
Nachmittags hatte ich bereits kurz angefangen, eine Folge einer Fernsehserie zu sehen und dachte, die könne ich noch zu ende schauen, da ich sie ja auf meinem DVD-Rekorder mit Festplatte aufgezeichnet hatte. Ich setzte also meine Kontaktlinsen wieder ein, nahm mir das Buch vom Bett mit ins Wohnzimmer, sah die Folge und gleich noch zwei weitere aufgezeichnete zu ende, switchte ganz entgegen meiner Gewohnheit, insbesondere mitten in der Nacht, durchs Fernsehprogramm, las das Buch weiter und war fürchterlich motiviert, mit dem eigentlichen Entrümpeln und aufräumen zu beginnen
Gegen halb sechs Uhr morgens wurde ich schließlich jedoch auch endlich wieder müde, sodass ich mich einfach aufs Sofa legte, mir zwei Decken schnappte und bis neun Uhr schlief. Nicht wirklich lang und erholsam, aber meiner Vermutung nach das sinnvollste, was ich mit dieser Nacht noch hätte anstellen können.
Klar hätte ich mir auch den Laptop zum NaNo-Schreiben holen können, aber dafür fehlten mir in dem Moment die Ideen.

Mein Freund fand mich also gegen neun Uhr schlafend auf dem Sofa vor und ich begann den Tag, wie nicht anders zu erwarten, wieder fürchterlich zerknittert. Eine Dusche tat heute früh zwar nicht not, aber die Schafherde wollte schon aus meinem Mund vertrieben werden.
Kurze Zeit später, nach einem für meine Verhältnisse und die jetzige Situation recht umfangreichen Frühstück, begann mein Körper auch sonst wieder zu erwachen. Die Motivation zum räumen und wegschmeissen war zum Glück geblieben und ich konnte meinem Freund über all die ausführlichen Gedankengänge, die ich zu diesem Thema in der Nacht gehabt hatte, berichten. Er bot mir alles an Hilfe an, was ich irgendwie benötigen könnte – und sei es nur beim Runtertragen des Mülls.
Ich mochte mir zwar keinen Plan machen, wie das Buch im Kampf gegen den inneren Schweinehund vorschlug, aber mit offenen Augen durch die Wohnung gehen, Ecken, die mich schon länger und teilweise aus nicht verständlichem Grund irgendwie störten, wahrzunehmen – hier ein Stück in die Hand zu nehmen und wegzuwerfen, dort das gleiche – das war etwas, was genau dieses gestrig verspürte Zufriedenheitsgefühl auslöste. Und so ging es quasi den ganzen Tag weiter.
Es mag sicherlich oft planlos ausgesehen haben, wie ich im Zickzack und ab und an zögernd durch die Wohnung gegangen bin, was mich aber nicht im geringsten störte – diese Planlosigkeit führte insgesamt zu einem echt guten Ergebnis.
Zwei Regalmeter Zeitschriften mussten weichen, ich habe aus drei Regalen in insgesamt zwei Zimmern Ordner umgestellt und thematisch zueinander sortiert, so dass sie inhaltlich und auch optisch besser ins Bild passen – ich habe Unmengen anderen Altpapiers weggeworfen und eine große Tasche von IKEA an Elektroschrott aussortiert bzw. meinem Freund zum Basteln mitgegeben.
Ein großer aber anscheinend schon seit längerer Zeit schwächelnder Ficus benjamini musste endgültig aus dem Wohnzimmer in die Biotonne weichen und eine Umtopfaktion hat aus einigen kleinen in der Küche in Gläsern im Wasser Wurzeln bildenden Trieben fertige Pflänzchen gemacht.
Ab und an haben mein Freund und ich auch immer mal als Pause zwischendurch zwanzig Minuten einer Zeichentrickserie gesehen, die ich aufgezeichnet hatte und auf DVD brennen wollte – was zu mehr freiem Speicherplatz auf der Festplatte geführt hatte. So viel wie gestern und heute habe ich lange nicht mehr in einer oder zwei Wochen ferngesehen!
Zwischendurch saß ich auch am Rechner, um zum einen die Maus anzuschließen, die heute geliefert wurde und zum anderen ein wenig zu schreiben – und wie von selbst löschte sich danach außerdem nach sehr kurzer Überlegung auch eine Menge Datenmüll und wurde teilweise auch einfach umorganisiert und neu katalogisiert.
Der volle Schreibtisch, der zwar im Vergleich mit dem meines Freundes noch fast jungfräulich wirkte, der mir aber in der Arbeit im Büro quasi schon den Amtsleiter auf den Hals gehetzt hätte, gehörte ebenfalls zu den Punkten, die mich schon länger störten. Jede Menge Werbekugelschreiber, die nicht den Doppeltest von a) vernünftige Tintenpatrone und b), für mich besonders wichtig, Griffigkeit im ergonomischen Design bestanden, wanderten in die Mülltonne.
Ein Elektrokabel aus der Computerecke oder von hinter dem Gästesofa kam zum nächsten, und schließlich war mein zweiter Drucker, bei dem die eine Patrone leer gedruckt war und die ich nicht einzeln für einen sinnvollen Preis hätte nachkaufen wollen, und mein Flachbettscanner, der zwar an sich noch funktionierte, aber dessen Dia- bzw. Negativscanfunktion defekt war, wegen der ich mich damals für ihn entschieden hatte, dem bereits gekauften und aufgebauten All-In-One-Wirelessgerät gewichen und ich hatte gefühlte zwei Quadratmeter mehr Platz auf dem Schreibtisch.
Die Menge Staub, die ich hinzukommend allein beim Auswischen der Regale der Ordner und Bücher und Zeitschriften, die ich bewegt hatte, beseitigt habe, scheint mir mindestens eine Menge eines halben Kilos ausgemacht zu haben.
Und wenn ich mich sonst schwer damit tu, zum Beispiel Original- oder auch nur die Lieferverpackungen von Geräten wegzuwerfen, habe ich es damit heute absolut nicht schwer gehabt. Ich plane nicht binnen der nächsten zwei Jahre umzuziehen, und selbst wenn, ist es lange her, dass man fürs Einlösen einer Garantie die OVP hätte aufbewahren müssen.
Um an den größten Teil der Verpackungen heranzukommen, die ich noch so hortete, müsste ich jedoch auf den nicht ausgebauten aber von mir auch wie von den anderen genutzten Dachboden zur Einlagerung von nicht wertvollem aber vermeintlich notwendigem Gerümpel klettern, was ich mir zumindest für heute erst mal nicht weiter vorgenommen hatte. Dazu gehört dann doch eine gewisse körperliche Mindestgrundkonstitution, über die ich meiner Einschätzung nach zur Zeit noch nicht wieder verfüge. Aber das Zeug läuft mir nicht weg, das kann ich auch später noch entsorgen. Ausdrücklich freuen tu ich mich auf das Entrümpeln des LARP-Krams. Ich freue mich so, wenn der endlich den Dachboden und vor allem mein Arbeitszimmer samt eigens für ihn dort stehenden Kleiderschrank geräumt hat und somit auch der Kleiderschrank weg kann. Aber auch das wird noch warten müssen, bis ich zum einen das derzeit verliehene Zeug zurück habe und zum anderen wird es sicherlich allein einen oder zwei Tage in Anspruch nehmen, und die möchte ich mir dafür dann auch nehmen.

Ich kann mir nicht erklären, weshalb es mir, der ich eher zu den Jägern und Sammlern gehöre als zu den Puristen, denen es in steriler Umgebung besser gefällt, ausgerechnet jetzt so leicht fällt, plötzlich völlig schmerzfrei nicht nur Gerümpel sondern auch eigentlich noch funktionierende Sachen wegzuwerfen.
Ist es eine eigene Neuorganisation? Das Finden eines neuen Platzes im alten Umfeld? Oder das Anpassen eben dessen an das neu entstandene Ich-Bild?
HABE ich ein neues Bild von mir? Brauche ich mehr Sicherheit? Oder mehr Freiraum? Mehr Sauberkeit oder auch „innere Hygiene“? Ich finde diesen Wortbau fürchterlich, habe aber irgendwann mal irgendwo etwas darüber gelesen, und das scheint hier zu passen. Buddhismus? Meditation?
Memo an mich: recherchieren!
Zweites Memo an mich: Nach Recherche nicht schlauer als vorher, denn ich habe nicht das gefunden, was ich meinte, finden zu wollen.
Drücken wir es anders aus – “Aufgeräumtheit mit sich selbst”.

Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals in meinem Leben so gern aufgeräumt und wegeschmissen zu haben wie heute. Irgendwo in mir hat sich der Gedanke an „das sind nur Sachen“ und „Du brauchst oder benutzt es sowieso nie wieder“ innerhalb weniger Stunden quasi aus dem Nichts sehr stark materialisiert.
Es war unglaublich befreiend, so locker darüber zu entscheiden, dass etwas weg soll. Der Ficus zum Beispiel stand bei mir mehrere Jahre in einer Wohnzimmerecke, wo er zwar an sich hübsch platziert war, aber zum einen aufgrund seiner ausladenden Äste viel Platz weg nahm, und gleichzeitig aufgrund seiner kränkelnden Blattkonsistenz aber irgendwie schäbig schien. Jedes Mal ärgerte ich mich beim Blick auf ihn darüber, dass ich es nicht schaffte, ihn zu einem hübschen grüngefärbten Busch heranzuziehen und dass was auch immer ihn krank gemacht hat, den Fußboden unten drunter kleben und somit sehr staubig erscheinen ließ. Also, kurzerhand weg damit. Die Kerzen, die ich für meinen damalig noch nicht als hässlich und im Weg stehend befundenen großen sechsarmigen Kerzenleuchter gekauft und den ich zwischenzeitlich schon längst dem Sperrmüll überlassen hatte, brauche ich nicht – ich habe sonst lediglich Kerzenhalter für Teelichte. Und ich mag das Tropfen von Kerzen nicht. Also, zwar nicht weg in den Müll damit aber ab in die große Kiste mit Dingen, bei denen ich meine Eltern noch fragen möchte, ob sie sie noch zu irgendetwas gebrauchen können.

Jetzt habe ich ebendiese besagte Kiste auf dem Flur stehen, eine große Ladung Altpapier ist samt dem ursprünglich mal improvisierten Pappkarton dafür schon unten im Müll gelandet, eine IKEA-Tüte für weiteres Altpapier ist bereit gestellt, die IKEA-Tüte mit dem Elektroschrott ebenfalls (alleine drei Autoradios haben sich darin gefunden, die in meinem Arbeitszimmer in einer Ecke lagen!), Drucker und Scanner sind bei meinem Freund im Auto gelandet, ebenso wie eine alte Spielzeugpistole, ein Möchtegenschaukampfdegen, der ordentlich verrostet ist und der sicherlich nie als Deko meine Wohnzimmerwand schmücken wird und zwei Bücher übers Programmieren, die er jedoch nur ausleiht und die ich, zumindest vorerst, zur Tarnung und Vorspielung meiner ach so guten technischen Ausbildung bei den ganzen Sachen meines Elektrotechnikstudiums weiter stehen haben möchte.
Ordner meiner ersten Ausbildung und dieses Studiums sind in mein Arbeitszimmer gewandert, nachdem sie zuvor in der Wohnzimmerschrankwand Unruhe ins optische Erscheinungsbild gebracht haben. Dagegen sind Stehordner mit den bleibenden Geo-Zeitschriften, die ich abonniert habe, rübergewandert, wo sie viel toller zum Angeben zur Geltung kommen (und vor allem auch einfach mehr Sinn machen, wenn ich sie dort aus dem Regal nehme, um entspannt abends auf dem Sofa endlich darin blättern und stöbern zu können). Die Fachbücher haben auch eher im Arbeitszimmer etwas zu suchen, dafür dürfen die unscheinbaren Schalen mit einer Auswahl Duftteelichtern durchaus im Wohnzimmer platznehmen.
Und auch innerhalb des Arbeitszimmers konnte ich viele Ordner aufgrund der neuen Sortierung jetzt auch optisch in schönere Harmonie bringen.

Spätestens allerdings, als ich meinem Freund davon berichtete, dass ich sogar am Überlegen sei, meine sowohl anzahlmäßig große als auch voluminöse (Stofftier-)Elchsammlung auszudünnen oder gar komplett an Kinderheime oder das rote Kreuz zu spenden, sah er mich mit sehr großen entsetzten Augen an.
Hierzu muss man wissen, dass ich mir die Domain elchher.de habe registrieren lassen, weil ich diese Viecher so toll finde und schon seit sehr langer Zeit sammele. Ich habe sie zwar nie mit irgendeinem Inhalt gefüllt, habe dies aber nach wie vor in irgendeiner Form vor.
Einen an dieser Sammlung nicht geringen Anteil an zum Beispiel Glas- oder Keramikdekorationen habe ich allerdings bereits 2011 beim Umzug schon ausgesondert wenn auch noch nicht weggeworfen, einfach weil mir auch damals schon klar war, dass ich nicht immer überall mit ihnen hinziehen kann. Aber jetzt will ich es insbesondere vermeiden, noch mehr Staubfänger bei mir in meinem Leben zu haben, selbst wenn sie niedlich sind.
Die Stofftiere, die man auf dem Jahrmarkt aus einem Automaten zieht, fallen ja noch nicht einmal in diese Kategorie, weil sie eben nicht niedlich sind, aber allein der fast lebensgroße Elch auf meinem Wohnzimmersofa, der aus einem Mercedes-Autohaus stammt, als die A-Klasse damals den sogenannten „Elchtest“ nicht bestanden hatte und sie sich damit selbst aufs Korn genommen haben, indem sie nach schließlich bestandenem Test überall Hinweise auf eben diesen angaben, hat ein Bleiberecht verdient. Er ist zwar von der Größe eigentlich eher sogar ein eigenes Möbelstück, aber dass mein damaliger Freund ihn mir zu Ostern gekauft und geschenkt hat, indem er ihn im Wagen seiner Eltern als Beifahrer in unsere damalige Wohnung brachte und dort ganz offensichtlich auf den Schaukelstuhl setzte, wo ich ihn erst etwas später bemerkte, zeugt von seiner großartigen Individualität. Ihn möchte ich nicht wieder hergeben! Ganz davon abgesehen, dass mein Freund meist mehr halb auf dem Sofa an den Elch angelehnt sitzt als normal.

Alles in allem sieht ein Teil meiner Wohnung jedenfalls jetzt wesentlich „aufgeräumter“ im Sinne von „stimmiger“ aus als vorher. Aber auch eine ganze Menge unordentlicher, weil ich nicht alles wieder irgendwo habe hinräumen können und wollen, wie ich es mir überlegt hatte, was ich bei der bisherigen Aktion zwecks Platzschaffung nur ausgeräumt und noch nicht weggeschmissen habe. Aber das ist auch keine Sache von ein paar Stunden, und schon gar nicht immer noch unter Drogen stehend! Allerdings schweben mir auch jetzt noch unendlich viele Dinge im Kopf herum, die ich umsetzen möchte. Welcher Gegenstand kann noch weg? Muss ich den ganzen Korb durchsehen oder kann ich seinen Inhalt auf gut Glück einfach so wegwerfen?
Ich möchte morgen und auch gern übermorgen noch weitermachen – und vielleicht auch noch Montag und Dienstag, und dann schau ich weiter.
Ich habe heute gemerkt, dass ich körperlich insbesondere den Kreislauf betreffend auch noch ordentlich in den Seilen hänge. Sind meine Ansprüche zu hoch? Müsste es mir nicht langsam wieder gut gehen, selbst wenn der Schub bzw. dessen Auswirkungen bleiben? Jedenfalls mental haben mich diese eineinhalb Tage sehr weit voran gebracht.
Aber auch das ist ein Gedanke, der mir heute mehrmals gekommen ist.
Was mache ich, wenn es Mittwoch körperlich nicht deutlich besser ist?

Also, Stand 18.-22.10. war: Kribbeln und Taubheit in den Füßen, starke Gleichgewichtsprobleme, keine gute Lokalisation der Gliedmaßen
Die Einweisung mit Cotisontherapie brachte das Ergebnis, dass sich in der Therapie das Kribbeln und Scheuern etwas verstärkte, anhielt und danach etwa eineinhalb Wochen später fast ganz absackte. Mit Stand etwa 12.-15.11. breitete sich hingegen die Taubheit auf den Oberkörper bis zum Brustansatz aus, was mir zu der zweiten Einweisung am 20.11. verhalf. Während dieser Zeit im Krankenhaus kroch das taube watteähnliche Gefühl auf dem Rücken bis zu den Schulterblättern. Unablässig habe ich den Eindruck, einen zu engen spannenden Sport-BH zu tragen, der noch dazu zu tief über den unteren Rippenbögen säße, sogar, wenn ich überhaupt keine Kleidung trage und noch nicht mal T-Shirtstoff über die Fläche streift.
Die Beendigung der zweiten Cortisontherapie war am 25.11., seitdem hat sich gefühlsmäßig auf der Hautoberfläche nichts geändert. Mein Gleichgewicht habe ich durch die neu erworbene Übung der alltäglichen Bewegungen automatisch an sich einfach schon wieder etwas zurück erlangt, und das Gefühl, unter der Fußsohle Hornhaut in der Dicke von 5 cm zu haben, ist auch wesentlich geringer geworden. Die Störungen lassen sich also allemal aushalten. Schlimmer wäre es gewesen, wenn die Taubheit nachgelassen aber im Gegenzug die Missempfindungen und Schmerzen stärker geworden wären.
Und unter dieser Betrachtung bin ich nicht sicher, welche Priorität ich einer Blutwäsche und den dazugehörigen möglichen Komplikationen und Schmerzen einräumen möchte.
Nicht zuletzt spielt in diese Überlegung auch die Tatsache mit rein, dass ich für den 09.12. Konzertkarten für meine Eltern und mich für ein Konzert einer gregorianischen Coverband in einer Kieler Kirche erstanden habe, auf das ich sie als Dank für ihre Hilfe einladen möchte. Ich selbst kenne diese Band schon sehr lange und habe sie noch nicht live gesehen, stelle es mir aber als eine hervorragende Erfahrung vor. Und auch wenn sie teilweise ein wenig in die GothicSchiene eintauchen, glaube ich, dass auch meine Eltern dieses Konzert gern erleben möchten. Ich sagte bereits zu meinem Freund, wenn ich noch im Krankenhaus sein sollte, müsse er mit ihnen zusammen hingehen – aber erstens war das nur halb ernst gemeint, obwohl er es glaube ich tun würde, und zweitens ist er ja ab Montag wieder zuhause, weil seine Arbeit da ja anfängt und das dann doch ein ordentlicher Aufwand wäre. Außerdem hoffe ich für mich selbst, dass mir die Gelegenheit geboten wird, endlich wieder in eine Art von Alltag einzutauchen.

Ich hoffe also für mich und sowieso alle Beteiligten, dass ich mich nicht noch zu einer Plasmapherese durchringen werden muss und möchte, sollte alles so bleiben wie jetzt, eigentlich in dieser Hinsicht auch auf meinen Neurologen einwirken, dass er mir bestätigt, dass ich es nicht schlimmer mache, sollte ich sie jetzt nicht in Angriff nehmen. Eventuell bleibt der Zustand ja so konstant und dann lässt sich da schon viel aushalten. Ist nicht perfekt, aber was ist das schon?

42 – Alltag? – Entrümpeln

Nachdem ich heute früh am Donnerstag nun erst mal einen Status meines Körpers und meines Befindens abgefragt hatte, goss ich endlich meine ganzen Blumen, räumte ein wenig die Küche auf, schmiss ein paar Dinge von meinem Schreibtisch und aus dem Bad weg, so etwas wie ausgetrocknete Kugelschreiber oder nicht benutzte aber längst abgelaufene Cremes und verfiel dann in einen Wegschmeiß- und Aufräumflash, der auch einige Computerdateien und -ordner umfasste und sich von Hölzchen zu Stöckchen ausbreitete. Ich merkte vor allem, wie alles, bei dem ich mich nun endlich durchgerungen hatte, es in den Papierkorb zu schmeißen, mich ein bisschen freier werden ließ.
Auch organisatorisch schaffte ich heute einen kleinen Angang, in dem ich für kommenden Montag, wo mein Freund dann wieder weg wäre, einen Hörgeräteakustikertermin vereinbarte, da die bisher zum Ausprobieren mitgegebenen Geräte noch nicht das tun, was sie sollen, nämlich mir beim Hören helfen. Nicht, dass ich in den letzten vier Wochen irgendeine Art von Alltagstauglichkeit hätte testen können, aber zumindest im direkten Wohnumfeld, unter Berücksichtigung dessen, dass ich meinen Freund häufig nicht höre, wenn er in meiner Wohnung ist und etwas zu mir sagt oder dass ich den Sound des Fernsehers nicht lauter wahrnehme als ohne Geräte, ist davon auszugehen, dass da noch was eingestellt werden muss bzw. ich zum Testen noch andere Geräte erhalte.
Desweiteren habe ich es heute geschafft, mich danach um einen Termin im Sanitätshaus zum Maßnehmen der zweiten Stützstrumpfversorgung am Dienstag zu kümmern, auch wenn es vermutlich aufgrund der Wassereinlagerungen wegen des Cortisons noch gar nicht sinnvoll ist. Aber ich möchte das Sanitätshaus nicht auf meinen beiden Rezepten sitzen lassen sondern auch das endlich abhaken können und mit zwei kompletten und vor allem passenden Versorgungen in die Wintersaison starten, wenn es ausnahmsweise vielleicht sogar mal angenehm sein könnte, lange Strümpfe unter der Hose zu tragen.
Schließlich und endlich verabredete ich mich mit meiner besten Freundin, deren Umzugstermin ich wegen des Krankenhausaufenthaltes leider nicht wahrnehmen konnte. Ich bin doch so gespannt auf ihre neue Wohnung!
Alles in allem bin ich mit dem heutigen Tag unter Annahme dessen, was mich nach dem Krankenhaus erwarten würde, durchaus zufrieden. Ich habe nur eine eingeschränkte Zeit damit verbracht, Löcher in die Luft zu starren oder fernzusehen, ohne wirklich irgendetwas wahrzunehmen, und ein kleines bisschen was erreicht. Insbesondere das Wegwerfen von Dingen hat mir gezeigt, dass es doch etwas gibt, was ich gerade für mein aktuelles Wohlbefinden anstellen kann. Nachdem Konsum, was sonst oft hilft, hier nicht gut funktioniert hat (Kauf und Aufbau der Wii Fit Konsole und Kauf einer schnurlosen total tollen Laptopmaus, nachdem mein Freund mein uraltes Ottonormalstandardzeigegerät durch Benutzen kaputt gemacht zu haben scheint), werde ich an diesem Punkt in den nächsten Tagen wohl verstärkt ansetzen. Hab ja nicht umsonst noch das Buch “Entrümpeln mit dem inneren Schweinehund” von von Münchhausen hier rumliegen und mich trotz zweimaliger Lektüre immer nicht dran gehalten, auch mal durchzuführen, was da drin steht.
Bleibt mir also noch, mich in den nächsten Tagen um einen Reparaturtermin für den Auspuff meines Autos und um einen TÜV-Termin im Januar zu kümmern.

41 – Alltag? – Gedanken über Gerechtigkeit

Ansonsten versuchte ich, zunächst erst einmal “wieder zuhause anzukommen”.
Nachdem mein Freund gestern, noch bevor er mich vom Krankenhaus abgeholt hatte, meine Winterreifen auf Felge hat aufziehen lassen, konnten wir diese nachmittags sogar noch an mein Auto bauen – wobei wir leider beim vor- und zurückfahren feststellen mussten, dass der Schaden am Auspuff doch zwischenzeitlich größer geworden zu sein schien und eine weitere Reparatur anstand, nachdem ich dieses Jahr bereits zweitausend Euro und vor allem jede Menge Zeit in den Wagen zur Reparatur habe investieren müssen.
Für mich sind die Erledigungen solcher Dinge elementar wichtig für mein Wohlbefinden – ich möchte mich einfach nicht kümmern müssen. Ich möchte jemanden dafür bezahlen, dass er mein Auto konstant alltags- und verkehrstauglich hält, ich möchte jemanden dafür bezahlen, dass er mir meinen ganzen persönlichen Verwaltungskram abnimmt, sich im meine Versicherungen und Steuern kümmert und ich würde auch jemanden bezahlen dafür, sollte es irgendwann soweit sein, mir ein perfektes Haus zu suchen, damit ich das nicht selbst machen müsste. Zumindest für die Versicherungen bin ich von meinem Freund schon an dessen befreundeten Makler vermittelt worden, was nach einigen Anlaufschwierigkeiten auch durchaus gute Erfolge erzielt hat.
Wenn dann immer wieder Dinge zum Vorschein kommen, wie sich wiederholende Reparaturen am Auto, von denen ich dachte, sie seien abgeschlossen und das Thema sei abgehakt, nimmt es mich dann erst recht mit und zieht mich runter. Leider habe ich, anscheinend mehr als der Rest der Durchschnittsbevölkerung, damit Pech, dass es gerade bei mir und meinen Dingen und Plänen immer wieder zu solchen Rückschlägen kommt.
Es gelingt mir kaum, positiv zu denken, weil ich die Erfahrung schon zu oft gemacht habe, dass alles was schief gehen kann schief gehen wird. Und wenn ich zum Beispiel über ein halbes Jahr mein Auto immer wieder mit den gleichen Mängeln zu insgesamt drei verschiedenen Werkstätten gebracht habe und mir Zusagen gemacht wurden, die nicht eingehalten wurden und ich von mindestens einer auch einfach völlig belogen und betrogen und über den Tisch gezogen wurde, oder als ich damals dienstlich versetzt worden bin und damit die Probleme, nachdem ich dachte, es hätte nicht mehr schlimmer werden können, quasi erst angefangen haben, reagiere ich, meines Erachtens nach durchaus verständlich, mit Mißmut auf Aussagen wie “das wird schon”. Wird es eben nicht.
Ich gehöre zu den Menschen, die oft Recht haben mit ihren Aussagen – einfach aus dem Grunde, weil ich vorsichtig bin, was ich sage. Aber diese schwarzmalerischen Prophezeiungen konnte mein Freund von Anfang an nicht leiden und sich auch nicht vorstellen, was da alles dran hängen könnte – bis er erlebt hat, dass es bei mir leider wirklich so zu sein scheint.
Auto, Job, Wohnung bzw. Mietverhältnis, Pferd… alles Dinge, auf die sich diese Befürchtungen immer wieder bewahrheitend zeigen.
Und, wie soll es anders sein, bei der Gesundheit noch viel mehr.
Warum sollte es reichen, dass ich MS habe? Muss noch ein Lipödem dazu kommen, was schmerzt und einfach auch fürchterlich hässlich ist und für dass ich seit der Kindheit Spott und Beleidigungen habe einstecken müssen? Muss ich starken Heuschnupfen haben? Einen leichten Bandscheibenvorfall, dessen Schmerzen mich seit vier Jahren nicht mehr loslassen? Muss ich chronische Kopfschmerzen haben, mit mindestens 25 Schmerztagen monatlich seit September 2013? Muss seit einem Jahr auch die Hüftdysplasie auftauchen, mit einer Blockade in der linken Hüfte, sodass mir das Schlafen schwer fällt und ich längst nicht mehr alle Yoga- und Beweglichkeitsübungen machen kann, die ich eigentlich beschwerdefrei absolvieren konnte? Muss dieses unerklärte Druck- und Engegefühl in der Luft- und Speiseröhre hinzukommen, das mich auch schon acht Jahre lang begleitet? Muss jetzt seit einiger Zeit der teilweise Verlust meiner Hörfähigkeit dazu kommen? Ist dieser vielleicht auch noch abhängig von der MS? Vom Heavy Metal jedenfalls kommt die Scherhörigkeit wenigstens ausgewiesenermaßen nicht.
Aus diesen ganzen Gründen vermute ich stammt auch meine Veranlagung zur Depression. Krankheit hin oder her, bei einer solchen Grundlage ist der Verlust der Lebensqualität, zumindest in einem gewissen Umfang, logisch.
Natürlich gibt es Leute, denen es wesentlich schlechter geht als mir – gesundheitlich, psychisch, vom Lebensstandard her betrachtet. Aber es gibt vor allem unheimlich viele, die gar nicht wissen, wie gut es ihnen geht. Und das finde ich so unglaublich ungerecht. Ich rede nicht von zum Beispiel Krebspatienten, sondern von den ganzen Leuten, die in ihrer Facebook-Timeline dauernd schreiben, dass sie erkältet seien. Oder sich sogar das Handgelenk gebrochen haben. Oder denen ein Fingernagel eingerissen ist.
Ich meine, schön für sie, wenn das schon ein einschneidendes Erlebnis ist, aber ich würde es mir gar nicht anmaßen, irgendwen mit solch einem Nonsens zu belämmern. Ist unfair denen gegenüber, die tatsächlich kein größeres Unglück kennen? Finde ich nicht. Da spüre ich eine Menge Neid. Und auch das ist schwer, damit umzugehen. Wie behandele ich solche Leute? Ich will sie nicht von oben herab belächeln – ich will nur, dass sie sich Gedanken darum machen, dass das nicht für alle Seiten nach einem schweren Schicksalsschlag aussieht.

40 – Alltag? – Ankommen

Alltag. Theoretisch. Praktisch nicht ganz.
Gestern aus dem zweiten Krankenhausaufenthalt sprich der zweiten Cortisontherapie entlassen worden, bin ich nun völlig planlos und unsicher, wie es jetzt in der nächsten Stunde, am nächsten Tag weiter geht.
Ich glaube, es war maßgeblich für mein Wohlbefinden, dass ich noch einen Tag zur Beobachtung im Klinikum verbracht habe, dass ich von dort aus auch bis zu meinem regulären Neurologentermin krankgeschrieben worden bin und mich nicht darum auch noch hätte zeitnah kümmern müssen und auch, dass mir die Medikation des Ausschleichens der Therapie wie in Damp damals für eine weitere Woche des Überlebens bereits mitgegeben worden ist. Und sei es nur der psychische Aspekt, ich fühle mich jedenfalls besser betreut als beim ersten Mal. Liegt vielleicht aber auch daran, dass ich diesmal wusste, worauf ich achten musste – also sowohl bei den Formalitäten als auch bei meinem eigene Befinden und dem, was auf mich zugekommen war und vielleicht wieder zukommen wird.
Gestern abend ging es mir – schlecht wäre falsch, aber zumindest nicht gut. Ich fühlte mich völlig aufgebläht, musste dauernd zur Toilette, war irgendwie matschig auf den Beinen und hatte durchaus auch die eine oder andere Sinnesirritation à la eingebildetes Radio im Hintergrund, einen am Haus parkenden Krankenwagen mit Sirene oder sich leicht drehende Umgebung. Damit hatte ich gerechnet, und es war lange nicht so schlimm wie beim ersten Mal – aber dennoch hatte ich unglaubliche Schwierigkeiten einzuschlafen. Und tatsächlich fehlte mir das höhenverstellbare Fußteil des Krankenhausbettes, in dem ich so prima habe liegen können. Nachdem ich letztendlich doch auch in meinem eigenen Bett eingeschlafen war, musste ich zwar viermal in der Nacht raus auf die Toilette, aber konnte danach auch immer gleich wieder ein- und weiterschlafen.
Den Wecker und dass mein Freund sich heute früh fertig gemacht hat und zu seiner Schulung seiner neuen Arbeit losgefahren ist, habe ich sogar überhaupt nicht mitbekommen.
Mich stellte heute also ein ganzer Tag voller Nichtstun auf die Probe. Zunächst musste ich rausfinden, wie fit ich war – und generell wie es mir ging. Abends hatte ich auch noch leichte Halsschmerzen bekommen, weil ich immer so ausdauernd gegähnt habe – die zogen sich leider auch durch die Nacht und waren auch heute früh noch da. Ansonsten hatte ich aber anscheinend ausgeschlafen und konnte ausprobieren, was passierte, als ich aufstand.
Ich fühlte mich immer noch sehr aufgedunsen, was sich aber schon ein wenig änderte, als ich geduscht und Zähne geputzt hatte und mir wieder ein wenig menschlicher vorkam. Mir war unglaublich warm, so dass ich den halben Tag nur in Unterwäsche und T-Shirt durch die Wohnung stratzte, was bei drohender Blasenentzündung nicht sonderlich schlau war, aber bislang auch keine Konsequenzen hatte. Außerdem nahm ich mir sehr viel Zeit, meine Beine ordentlich einzucremen, die von dem Aquajogging, insbesondere der zweimal zwei Tage hintereinander, ordentliche Scheuerstellen von den Schaumstoffpolstern erhalten hatten, die in Kombination mit Epilieren zu hässlicher Quaddelbildung und Juckreiz geführt hatten. Aus Interesse probierte ich das Wii Fit Balance Board mal aus, was ich noch vor dem Krankenhaus geschickt bekommen aber noch nicht angeschlossen hatte. Nachdem sich aber tatsächlich die Balance- und Yogaübungen als völlig ungeeignet erwiesen, zumindest zum jetzige Zeitpunkt, gab ich das auch schnell wieder auf.