41 – Alltag? – Gedanken über Gerechtigkeit

Ansonsten versuchte ich, zunächst erst einmal “wieder zuhause anzukommen”.
Nachdem mein Freund gestern, noch bevor er mich vom Krankenhaus abgeholt hatte, meine Winterreifen auf Felge hat aufziehen lassen, konnten wir diese nachmittags sogar noch an mein Auto bauen – wobei wir leider beim vor- und zurückfahren feststellen mussten, dass der Schaden am Auspuff doch zwischenzeitlich größer geworden zu sein schien und eine weitere Reparatur anstand, nachdem ich dieses Jahr bereits zweitausend Euro und vor allem jede Menge Zeit in den Wagen zur Reparatur habe investieren müssen.
Für mich sind die Erledigungen solcher Dinge elementar wichtig für mein Wohlbefinden – ich möchte mich einfach nicht kümmern müssen. Ich möchte jemanden dafür bezahlen, dass er mein Auto konstant alltags- und verkehrstauglich hält, ich möchte jemanden dafür bezahlen, dass er mir meinen ganzen persönlichen Verwaltungskram abnimmt, sich im meine Versicherungen und Steuern kümmert und ich würde auch jemanden bezahlen dafür, sollte es irgendwann soweit sein, mir ein perfektes Haus zu suchen, damit ich das nicht selbst machen müsste. Zumindest für die Versicherungen bin ich von meinem Freund schon an dessen befreundeten Makler vermittelt worden, was nach einigen Anlaufschwierigkeiten auch durchaus gute Erfolge erzielt hat.
Wenn dann immer wieder Dinge zum Vorschein kommen, wie sich wiederholende Reparaturen am Auto, von denen ich dachte, sie seien abgeschlossen und das Thema sei abgehakt, nimmt es mich dann erst recht mit und zieht mich runter. Leider habe ich, anscheinend mehr als der Rest der Durchschnittsbevölkerung, damit Pech, dass es gerade bei mir und meinen Dingen und Plänen immer wieder zu solchen Rückschlägen kommt.
Es gelingt mir kaum, positiv zu denken, weil ich die Erfahrung schon zu oft gemacht habe, dass alles was schief gehen kann schief gehen wird. Und wenn ich zum Beispiel über ein halbes Jahr mein Auto immer wieder mit den gleichen Mängeln zu insgesamt drei verschiedenen Werkstätten gebracht habe und mir Zusagen gemacht wurden, die nicht eingehalten wurden und ich von mindestens einer auch einfach völlig belogen und betrogen und über den Tisch gezogen wurde, oder als ich damals dienstlich versetzt worden bin und damit die Probleme, nachdem ich dachte, es hätte nicht mehr schlimmer werden können, quasi erst angefangen haben, reagiere ich, meines Erachtens nach durchaus verständlich, mit Mißmut auf Aussagen wie “das wird schon”. Wird es eben nicht.
Ich gehöre zu den Menschen, die oft Recht haben mit ihren Aussagen – einfach aus dem Grunde, weil ich vorsichtig bin, was ich sage. Aber diese schwarzmalerischen Prophezeiungen konnte mein Freund von Anfang an nicht leiden und sich auch nicht vorstellen, was da alles dran hängen könnte – bis er erlebt hat, dass es bei mir leider wirklich so zu sein scheint.
Auto, Job, Wohnung bzw. Mietverhältnis, Pferd… alles Dinge, auf die sich diese Befürchtungen immer wieder bewahrheitend zeigen.
Und, wie soll es anders sein, bei der Gesundheit noch viel mehr.
Warum sollte es reichen, dass ich MS habe? Muss noch ein Lipödem dazu kommen, was schmerzt und einfach auch fürchterlich hässlich ist und für dass ich seit der Kindheit Spott und Beleidigungen habe einstecken müssen? Muss ich starken Heuschnupfen haben? Einen leichten Bandscheibenvorfall, dessen Schmerzen mich seit vier Jahren nicht mehr loslassen? Muss ich chronische Kopfschmerzen haben, mit mindestens 25 Schmerztagen monatlich seit September 2013? Muss seit einem Jahr auch die Hüftdysplasie auftauchen, mit einer Blockade in der linken Hüfte, sodass mir das Schlafen schwer fällt und ich längst nicht mehr alle Yoga- und Beweglichkeitsübungen machen kann, die ich eigentlich beschwerdefrei absolvieren konnte? Muss dieses unerklärte Druck- und Engegefühl in der Luft- und Speiseröhre hinzukommen, das mich auch schon acht Jahre lang begleitet? Muss jetzt seit einiger Zeit der teilweise Verlust meiner Hörfähigkeit dazu kommen? Ist dieser vielleicht auch noch abhängig von der MS? Vom Heavy Metal jedenfalls kommt die Scherhörigkeit wenigstens ausgewiesenermaßen nicht.
Aus diesen ganzen Gründen vermute ich stammt auch meine Veranlagung zur Depression. Krankheit hin oder her, bei einer solchen Grundlage ist der Verlust der Lebensqualität, zumindest in einem gewissen Umfang, logisch.
Natürlich gibt es Leute, denen es wesentlich schlechter geht als mir – gesundheitlich, psychisch, vom Lebensstandard her betrachtet. Aber es gibt vor allem unheimlich viele, die gar nicht wissen, wie gut es ihnen geht. Und das finde ich so unglaublich ungerecht. Ich rede nicht von zum Beispiel Krebspatienten, sondern von den ganzen Leuten, die in ihrer Facebook-Timeline dauernd schreiben, dass sie erkältet seien. Oder sich sogar das Handgelenk gebrochen haben. Oder denen ein Fingernagel eingerissen ist.
Ich meine, schön für sie, wenn das schon ein einschneidendes Erlebnis ist, aber ich würde es mir gar nicht anmaßen, irgendwen mit solch einem Nonsens zu belämmern. Ist unfair denen gegenüber, die tatsächlich kein größeres Unglück kennen? Finde ich nicht. Da spüre ich eine Menge Neid. Und auch das ist schwer, damit umzugehen. Wie behandele ich solche Leute? Ich will sie nicht von oben herab belächeln – ich will nur, dass sie sich Gedanken darum machen, dass das nicht für alle Seiten nach einem schweren Schicksalsschlag aussieht.

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